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Liebe Depotstudent-Leserschaft, heute habe ich einen spannenden Interview-Gast mitgebracht!
Dr. Norbert Kuhn ist stellvertretender Leiter des Fachbereichs Kapitalmärkte und Leiter Unternehmensfinanzierung beim Deutschen Aktieninstitut – er gibt uns Einblicke, wo wir in Deutschland beim Thema Rente stehen, an welchen sinnvollen Modellen man sich im Ausland orientieren kann, wie gefördertes Aktiensparen in Deutschland aussehen müsste und verrät uns einige Tipps für die private Geldanlage.
Viel Spaß mit dem Interview!
Inhalt
Sehr geehrter Herr Dr. Kuhn, herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit für das Interview nehmen! Stellen Sie sich doch gerne kurz vor und geben Sie uns einen Einblick in Ihre Arbeit beim Deutschen Aktieninstitut.
Ich danke Ihnen für die Einladung und die Möglichkeit, heute mit Ihnen über die Themen Aktienanlage und Kapitalmarkt zu sprechen! Ich bin stellvertretender Leiter des Fachbereichs Kapitalmärkte und Leiter Unternehmensfinanzierung beim Deutschen Aktieninstitut. Schwerpunktmäßig beschäftige ich mich mit der Gesetzgebung zur Förderung der Aktienanlage in der Altersvorsorge und der Stärkung des Kapitalmarktes in Deutschland.
Effiziente und leistungsfähige Kapitalmärkte sind unter Wettbewerbsgesichtspunkten wichtig, weil sie Unternehmen den Zugang zu den Finanzmitteln ermöglichen, die sie zur Bewältigung zukünftiger Herausforderungen benötigen. So werden wichtige Innovationen wie die Digitalisierung und die grüne Transformation der Wirtschaft vorangetrieben und Arbeitsplätze geschaffen.
Als wichtige Stimme des Kapitalmarktes bündeln wir die Interessen unserer über 200 Mitglieder, die rund 90 Prozent der Marktkapitalisierung deutscher börsennotierter Aktiengesellschaften repräsentieren. Im Dialog mit der Politik bringen wir die Positionen unserer Mitglieder in den Gesetzgebungsprozess ein und tragen damit aktiv zur Gestaltung der Zukunft Deutschlands und Europas bei.
Viele junge Menschen bekommen regelrecht „Angst“ beim Thema Rente: Immerhin sind der kaum zukunftsfähige Generationenvertrag mit dem Umlageverfahren weit bekannt. Können Sie uns kurz skizzieren, wo die Deutschen beim Thema Rente stehen?
Fast alle Menschen in Deutschland, ob jung oder alt, verlassen sich zu sehr auf die gesetzliche Rente, die auf dem Umlageverfahren beruht. Diese stößt aber immer mehr an die Grenzen der Finanzierbarkeit, da immer weniger jüngere Beitragszahler die größer werdende Zahl an Rentnerinnen und Rentnern finanzieren müssen. Daher empfehlen wir, zusätzlich privat insbesondere mit Aktien, Aktienfonds oder ETFs für das Alter vorzusorgen. Als Berufseinsteiger, Student oder Studentin kann man zum Beispiel mit kleineren Beträgen starten, beispielsweise mit 25 Euro und erhöhen, wenn mehr Geld zur Verfügung steht. Mit der Zeit wächst so das Depot.
Auf lange Sicht können Aktien attraktive Renditechancen bieten. Sie sind daher eine gute Anlageform für die private Altersvorsorge und den langfristigen Vermögensaufbau. Bei langfristigen Zeiträumen von 20 Jahren und mehr erwirtschaften Aktien im Durchschnitt eine jährliche Rendite von um die acht Prozent. Dies zeigen die Rendite-Dreiecke des Aktieninstituts auf den DAX oder den MSCI World sehr gut.
Allerdings besitzt aktuell nur jeder sechste Mensch über 14 Jahren in Deutschland Aktien. Erfreulicherweise interessieren sich aber immer mehr junge Leute für die Aktienanlage, wie unsere Aktionärszahlen für das Jahr 2023 zeigen. Die Zahl der unter 40-jährigen, die Aktien, Aktienfonds und ETFs besitzen, hat sich in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt.
Gefördertes Aktiensparen wird damit natürlich ein heißes Thema, um die Lücken zu schließen: Gibt es gute Beispiele aus dem Ausland, an denen sich Deutschland beim geförderten Aktiensparen orientieren sollte?
Im Ausland gibt es viele Beispiele, wie Aktiensparen für die Altersvorsorge in der breiten Bevölkerung verankert werden kann. Beispielsweise müssen alle Schweden in der gesetzlichen Rente 2,5 Prozent ihres Gehaltes am Kapitalmarkt anlegen. Die Aktienanlage spielt hier eine herausragende Rolle, so dass fast jeder Schwede Aktionär ist. Eine andere Möglichkeit sind Altersvorsorgedepots in der dritten Säule, der privaten Altersvorsorge. Dabei handelt es sich um Wertpapierdepots, mit dem steuerlich gefördert mit geeigneten Finanzinstrumenten für das Alter vorgesorgt wird.
Im Mai 2024 haben wir gemeinsam mit der Deutschen WertpapierService Bank AG die Studie „Altersvorsorgedepots – erfolgreiche Modelle der Alterssicherung im internationalen Vergleich“ veröffentlicht. Grundlage der Studie war eine umfassende Analyse von Altersvorsorgedepots in Australien, Frankreich, Irland, Kanada und den USA. Altersvorsorgedepots erreichen dort breite Bevölkerungsgruppen und erfreuen sich großer Beliebtheit. Die Depots setzen vorrangig auf Aktien. Sie nutzen die attraktiven Renditen der Aktienanlage, die langfristig einen höheren Ertrag als andere Anlage- und Sparformen erwirtschaftet. In den US-Altersvorsorgedepots machen Aktien, in der Regel als Aktienfonds, mit 65 Prozent den größten Anteil der Wertpapiere aus.
Welche Aspekte sollten von Seiten des Staats beim geförderten Aktiensparen besonders berücksichtigt werden? Was sollte unbedingt vermieden werden?
In der Studie haben wir zentrale Handlungsempfehlungen für die Ausgestaltung des Altersvorsorgedepots in Deutschland vorgestellt. Wir empfehlen einen hohen Aktienanteil, der langfristig dazu beiträgt, dass das private Altersvorsorgedepot attraktive Erträge erwirtschaftet. Von einer Pflicht zu Beitrags- und Zinsgarantien raten wir ab. Bei Anlagezeiträumen von 20 oder 30 Jahren, typisch für die Altersvorsorge, sind solche Garantien überflüssig. Sie kosten unnötig Rendite, weil sie die Anbieter zwingen, in weniger rentierliche, festverzinsliche Wertpapiere wie Staatsanleihen zu investieren statt in Aktien.
Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist zudem eine attraktive staatliche Förderung. Wir plädieren für eine Erhöhung. In Frankreich sind beispielsweise Beiträge von maximal 37.094 Euro für ein Altersvorsorgedepot steuerlich absetzbar, in den USA sind es 6.500 USD und in Deutschland bislang 2.100 Euro. Hier sollten wir mindestens zu den USA aufschließen und die Förderung auf 6.000 Euro anheben.
Das „Generationenkapital“ ist ein erster Ansatz, bei dem auf den globalen Kapitalmarkt gesetzt wird. Greift das noch viel zu kurz oder ist das ein guter Startpunkt?
Wir setzen uns dafür ein, dass die nächste Bundesregierung die aktienbasierte Altersvorsorge wieder oben auf die Agenda nimmt. Das Generationenkapital war nur ein erster kleiner und auch nicht besonders guter Schritt in Richtung Kapitaldeckung in der ersten Säule, also der gesetzlichen Rentenversicherung. Aber immerhin! Für die Zukunft wäre Schweden ein gutes Vorbild. Hier wird nicht über öffentliche Schulden, was beim Generationenkapital vorgesehen war, sondern über Beiträge gespart. Dementsprechend verfügt auch jeder Einzelne über eine Altersvorsorge, auf die sie oder er dann später zurückgreifen kann.
Für Privatanleger: Reicht aus Ihrer Sicht ein persönliches Aktiendepot für den Ruhestand aus oder gibt es weitere Bestandteile, die nicht fehlen dürfen? Haben Sie ein paar Tipps?
Drei grundlegende Tipps sollten alle Anlegerinnen und Anleger beim Aktiensparen berücksichtigen. Erstens: Langfristig denken und anlegen. Wer vorhat, für den Autokauf in einem Jahr zu sparen, der sollte sein Geld nicht in Aktien anlegen, denn die Kurse können kurzfristig stark schwanken. Zweitens sollte die Aktienanlage diversifiziert über unterschiedliche Branchen und Regionen sowie in der Zeit erfolgen, hierfür ist beispielsweise ein Fonds beziehungsweise ein Fondssparplan sehr einfach, der weltweit in die größten Unternehmen anlegt. Wie das Zähneputzen sollte die Aktienanlage drittens keine einmalige Angelegenheit sein, sondern eine ständige Wiederholung. Was bedeutet das? Bei der Bank des Vertrauens einen Wertpapiersparplan anlegen und den Betrag festlegen, der dann automatisch Monat für Monat am Aktienmarkt angelegt wird.
Wie kann man die Arbeit des Aktieninstituts unterstützen?
Eine Möglichkeit ist, in Blogs, Podcasts oder Interviews über die Bedeutung der Aktienanlage für den Vermögensaufbau und die private Altersvorsorge zu informieren und aufzuklären. Wir bieten mit unseren Rendite-Dreiecken, den Aktionärszahlen und Studien Informationen an, die als Quellen gerne genutzt werden können. Eine breite Unterstützung für unsere Arbeit entsteht auch durch ein besseres Verständnis für die Rolle von Kapitalmärkten und Unternehmensfinanzierung. Wer beispielsweise als Blogger oder Journalist dazu beiträgt, sachlich und ausgewogen über diese Themen zu berichten, leistet indirekt einen wichtigen Beitrag zu einer Stärkung des Kapitalmarktes und der Aktienkultur in Deutschland.
Und wer als Lehrer in der Schule über grundlegende wirtschaftliche und finanzielle Zusammenhänge informiert und diskutiert, legt den Grundstein für ein besseres Verständnis und mehr Chancengerechtigkeit. Denn ein solides Wissen über Finanzthemen – angefangen von A wie Aktie bis Z wie Zinsen – ist zentral, um eigenverantwortliche Entscheidungen bei Geld- und Finanzfragen treffen zu können.
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