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Liebe Depotstudent-Leserschaft, heute habe ich einen spannenden Interview-Gast mitgebracht!
Rolf D. Häßler ist geschäftsführender Gesellschafter des NKI (Institut für nachhaltige Kapitalanlagen) und hat sich für ein Interview bereiterklärt – er ist Experte für nachhaltige Kapitalanlage und gibt uns Einblicke in Nachhaltigkeitskriterien, nennt Beispiele für die Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien, erläutert das „doppelte Wirkungsversprechen“ und vieles mehr.
Viel Spaß mit dem Interview!
Foto: Rolf D. Häßler, Logo: NKI – Institut für nachhaltige Kapitalanlagen
Inhalt
Sehr geehrter Herr Häßler, herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit für das Interview nehmen! Stellen Sie sich und das NK-Institut doch gerne kurz vor.
Sehr gerne! Das NKI ist ein unabhängiges Beratungs- und Forschungsinstitut im Bereich des nachhaltigen Finanzmarktes. Seit Anfang 2015 begleiten wir zum einen institutionelle Anleger wie Stiftungen, Versorgungswerke und Versicherungen bei der Entwicklung und Umsetzung von Strategien für eine nachhaltige Kapitalanlage. Zum anderen haben wir einige Banken im Kundenkreis, die wir bei der Entwicklung und Umsetzung von Klima- und Nachhaltigkeitsstrategien, beispielsweise bei der Kreditvergabe, beraten. Noch vergleichsweise neu sind Kunden aus der Realwirtschaft, mit denen wir Strategien entwickeln, wie sie unter Berücksichtigung der steigenden ESG-Anforderungen von Investoren und Banken auch zukünftig ihre Versorgung mit Eigen- und Fremdkapital sicherstellen können. Mit unseren Forschungsprojekten wollen wir Impulse zur Weiterentwicklung des nachhaltigen Finanzmarktes setzen, beispielsweise durch Umfragen bei Unternehmen und Anlegern, aber auch durch Konzepte wie den Best-in-Progress-Ansatz.
Worin bestehen die wesentlichen Aufgaben des NKI? Welche Spezialkenntnisse und Fertigkeiten sind von Ihnen und Ihrem Team gefordert?
Mit Blick auf die institutionellen Anleger und ihre Kapitalanlage stehen wir regelmäßig vor der Aufgabe, nachhaltigkeitsbezogene Kriterien zu entwickeln, die zu den Zielen und Werten der Anleger passen. Und diese sind bei der Umweltstiftung A schon andere als bei der Kulturstiftung B, bei einem ärztlichen Versorgungswerk andere als bei einem Bistum. Die Entwicklung individueller Konzepte setzt eine intensive Auseinandersetzung mit ganz verschiedenen Themen voraus, aktuell vor allem dem Klimawandel, aber auch Themen wie Menschen- und Arbeitsrechten, geächteten Waffen und grüner Gentechnik, Atomkraft und Glücksspiel. Ich habe diese Themenvielfalt immer als unglaubliche Bereicherung meiner Arbeit angesehen und tue dies nach mehr als 30 Berufsjahren immer noch. Die Beschäftigung mit der nachhaltigen Kapitalanlage setzt daher ein breites Allgemeinwissen voraus.
Auf Basis dieser Analyse der Ziele und Werte suchen wir dann aus dem Instrumentenkasten der nachhaltigen Kapitalanlage die Instrumente heraus, mit denen wir diese in der Kapitalanlage verankern können. Dazu zählen beispielsweise Ausschlusskriterien oder Dialoge mit den Unternehmen, in deren Aktien und Anleihen investiert werden soll. Gleichzeitig müssen wir Auswirkungen auf Rendite und Risiko der Kapitalanlage im Blick behalten. Neben dem angesprochenen Allgemeinwissen setzt unsere Tätigkeit daher auch gute Kenntnisse des Kapitalmarktes voraus.
Seit der Gesetzgeber den Finanzmarkt zum Hebel für die klimaverträgliche Transformation der Realwirtschaft gemacht hat, bekommt die Regulierung in unserer Arbeit eine immer höhere Bedeutung. Für uns ist es dabei wichtig, den Überblick über die zahlreichen Regelungen zu haben, ohne dass wir wirklich jeden einzelnen Paragrafen kennen müssen. Eine rechtssichere Beratung können und wollen wir nicht anbieten, hier dominieren die großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften den Markt. Aber wir müssen unseren Kunden sagen können, welche Regelungen für sie relevant sind und warum.
„Nachhaltig anlegen? Das bedeutet doch sicherlich weniger Rendite!“ meinen noch immer viele Anleger – müsste dieses Vorurteil nicht längst aus der Welt geschafft sein oder ist da doch etwas dran?
Ja, dieses Vorurteil hält sich leider sehr hartnäckig, obwohl sowohl Plausibilitätsüberlegungen als auch statistische Analysen und nicht zuletzt zwischenzeitlich jahrzehntelange Erfahrungen zeigen, dass die nachhaltige Kapitalanlage keine systematischen Nachteile bei Risiko und Rendite hat. Diese beiden Faktoren muss man immer zusammen sehen, schon daher ist der Fokus auf einen vermeintlichen Renditenachteil eine verkürzte Betrachtung des Themas.
Früher haben wir oft gehört, dass man sich Nachhaltigkeit leisten können muss – man also nur nachhaltige Maßnahmen durchführen kann, wenn man wirtschaftlich erfolgreich ist. Heute sehen wir Nachhaltigkeit nicht mehr als Folge, sondern als Wurzel wirtschaftlichen Erfolgs. Und ich finde es sehr gut nachvollziehbar, dass Unternehmen, die sparsam mit Energie und Rohstoffen umgehen, die attraktiv für Nachwuchskräfte sind und die Produkte anbieten, die klima- und umweltverträglich sind und unter sozial fairen Bedingungen hergestellt wurden, wirtschaftlich erfolgreicher sein werden als Unternehmen, die diese Aspekte der Nachhaltigkeit nicht beachten.
Diese These wird durch zahlreiche ökonometrische Analysen – die Universität Hamburg hat hier einmal mehr als 2.000 solcher Studien aus den vergangenen 50 Jahren analysiert – umfassend unterstützt. Also: Meines Erachtens können wir einen dicken Haken hinter diese Diskussion machen und uns eher der Frage zuwenden, ob denn die nachhaltige Kapitalanlage auch einen positiven Einfluss auf eine nachhaltige Entwicklung hat. Diese Frage haben wurde am Kapitalmarkt lange vernachlässigt.
Damit sprechen Sie das „doppelte Wirkungsversprechen“ der nachhaltigen Kapitalanlage an: Anleger sollen einerseits eine marktgerechte Rendite erwarten können und andererseits zu einem positiven Einfluss auf Umwelt und Gesellschaft beitragen können. Bei welchen Anlageformen funktioniert das besonders gut?
Es funktioniert grundsätzlich bei allen nachhaltigen Anlagen gut, lässt sich aber am Beispiel eines Aktienfonds besonders gut beschreiben. Eine nachhaltigkeitsbezogene Wirkung entsteht ja vor allem dort, wo man Unternehmen dazu bewegt, sich stärker mit den Herausforderungen einer nachhaltigen Entwicklung auseinanderzusetzen. Dies gelingt dann, wenn der Zugang der Unternehmen zu Kapital davon abhängt, ob sie den entsprechenden Anforderungen der Investoren genügen und hinreichend viele Investoren entsprechende Kriterien beachten. In Deutschland zeigen Umfragen, dass zwischen 85 und 90 Prozent der institutionellen Anleger mit ESG-Kriterien arbeiten und beispielsweise Unternehmen vom Investment ausschließen, die gegen Menschen- und Arbeitsrechte verstoßen oder keine zielführende Klimastrategie haben. Es ist für Unternehmen daher rational, diese Anforderungen zu erfüllen, um Zugang zum Kapital dieser Anleger zu haben.
Der Fokus der Anleger auf Unternehmen mit einer guten Klimastrategie reduziert gleichzeitig die Klimarisiken eines Portfolios, sodass diese Kriterien auch einen positiven Einfluss auf das Rendite-Risiko-Profil der Kapitalanlage haben.
Eine positive nachhaltige Wirkung sollte sich natürlich irgendwie messen lassen: Anhand welcher Zahlen ist das am besten möglich?
Eine wichtige Kennzahl habe ich schon angesprochen – die Klimaqualität beispielsweise eines Fonds. Hier misst man, wie viel CO2 die Unternehmen ausstoßen, in die ein Fonds investiert und rechnet diesem dann auf Basis seines Aktienanteils am Unternehmen die Emissionen zu. Wenn also ein Unternehmen 100.000 Tonnen CO2 pro Jahr emittiert und ein Fonds 2 Prozent der Aktien des Unternehmens hält, muss er sich 2.000 Tonnen CO2 zurechnen lassen. Wenn man das für alle Unternehmen macht, in die der Fonds investiert, erhält man den Carbon Footprint des Fonds in Tonnen CO2. Häufig werden die Emissionen der Unternehmen noch ins Verhältnis zu deren Umsatz gesetzt und diese Werte addiert. Das Ergebnis ist dann die Carbon Intensity des Fonds. Interessant ist, dass häufig die zehn größten CO2-Emittenten in einem Portfolio mehr als 50 Prozent der gesamten Emissionen ausmachen. Dies betrifft dann in der Regel Öl-Unternehmen und Zementhersteller. Viele Investoren haben hier inzwischen das Ziel formuliert, den Carbon Footprint bzw. die Carbon Intensity im Einklang mit den Pariser Klimazielen bis 2050 auf Netto-Null zu reduzieren.
Die zweite wichtige Bezugsgröße sind die UN Sustainable Development Goals, die SDGs. Hier misst man, zu welchen der 17 Entwicklungsziele ein Unternehmen mit seinen Produkten und Leistungen positiv beiträgt. Auch diese Wirkungen können dann über einen Fonds summiert werden und ergeben eine Kennzahl zum SDG-Impact eines Fonds. Aktuell werden neben den positiven Wirkungen verstärkt auch mögliche negative Wirkungen betrachtet, um ein ganzheitliches Bild zu bekommen.
Der Gesetzgeber verpflichtet Unternehmen im Bereich der Wertpapierdienstleistungen dazu, dass Anlegern (z.B. bei der Anlageberatung) eine „nachhaltigkeitsbezogene Präferenzabfrage“ gestellt wird: Anleger müssen vor ihrer Investition also entscheiden, ob sie nach nachhaltigen Kriterien anlegen möchten oder nicht. Reichen die aktuellen Umfänge bei der Abfrage aus oder müsste das noch viel weiter gehen?
Erstmal kann man vielleicht sagen, dass die Grundidee des Gesetzgebers richtig ist. Er hat diagnostiziert, dass die nachhaltige Kapitalanlage bei Privatanlegern zu wenig bekannt ist. Daher müssen seit Sommer vergangenen Jahres alle Anleger aktiv danach gefragt werden, ob sie nachhaltig anlegen wollen. So weit, so gut.
Die Schwierigkeit ist nun, dass die Anlageberaterinnen und -berater nicht fragen, ob ihre Kunden nachhaltig anlegen wollen oder bei ihrer Kapitalanlage beispielsweise den Klimaschutz oder Menschenrechte beachten wollen. Die Vorgaben der EU für diese ESG-Präferenzabfrage sind viel komplizierter und nehmen beispielsweise auf die EU-Taxonomie nachhaltiger wirtschaftlicher Tätigkeiten oder die Principal Adverse Impacts aus der Offenlegungsverordnung Bezug. Ohne diese jetzt im Detail zu erklären, wird schon deutlich, dass diese Referenzsysteme sowohl die Anleger als auch die Berater überfordern. Daher beantworten nur rund 15 Prozent der Privatanleger die Präferenzabfrage mit „ja“. Hier wird viel Potenzial für die nachhaltige Kapitalanlage verschenkt – und damit für die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung. Daher ist der Gesetzgeber aufgefordert, seine Vorgaben zu überarbeiten und ein für alle verständliches Rahmenwerk zu schaffen.
Woran können sich Anleger orientieren, um keinem „Greenwashing“ zum Opfer zu fallen und wirklich nachhaltig anzulegen? Gibt es irgendwelche Warnsignale, an denen man „Pseudo-Nachhaltigkeit“ schnell durchschauen kann?
Ganz ehrlich – ich halte die ganze Diskussion um Greenwashing im Bereich der nachhaltigen Kapitalanlage für deutlich überzogen. Am Ende ist es eine Frage des Anspruchs, den man an eine nachhaltige Kapitalanlage hat. Hier gibt es am Markt auch Anforderungen, die dazu führen würden, dass eine diversifizierte Anlage kaum noch möglich ist, was zulasten des Rendite-Risiko-Profils der Anlageprodukte ginge. Dann aber von Greenwashing zu sprechen, wenn nicht möglichst viele bzw. die aus Sicht der Kritiker „richtigen“ Ausschlusskriterien definiert sind, halte ich für falsch.
Am Ende muss jeder Anleger für sich entscheiden, welche ESG-Kriterien ihm wichtig sind und dann entsprechende Produkte suchen. Das bedeutet dann auch, dass man etwas Zeit investieren muss. Manchmal hat man hier aber den Eindruck, dass für die Auswahl des neuen Autos oder TVs mehr Zeit aufgewendet wird als für die eigene Kapitalanlage oder Altersvorsorge.
Die Suche wird durch verschiedene regulatorische Maßnahmen erleichtert, beispielsweise die Klassifizierung von Fonds auf Basis der Offenlegungsverordnung oder die neuen Vorgaben zu Fondsnamen. Hier werden Fonds, in deren Namen Begriffe wie Umwelt, Nachhaltigkeit oder Transition verwendet werden, verpflichtet, bestimmte ESG-Kriterien einzuhalten, z. B. Hersteller geächteter Waffen oder Tabakprodukten von der Kapitalanlage auszuschließen. Wenn ein Fonds also „Umweltfonds“ heißt, können sich die Anleger darauf verlassen, dass bestimmte ESG-Mindestkriterien eingehalten werden. Das erleichtert Anlegern nicht nur die Suche nach geeigneten Produkten, sondern reduziert nochmals das Risiko von Greenwashing.
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