depotstudent

„Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger“ im Interview

SdK Website
Depotstudent Dominik
5
(11)

Liebe Depotstudent-Leserschaft, heute habe ich einen spannenden Interview-Gast mitgebracht!

Daniel Bauer ist Vorstandsvorsitzender der SdK (Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V.) – einer gemeinnützigen Organisation zur Stärkung der Rechte von Kapitalanlegern und besonders von Kleinanlegern. Er gibt uns Einblicke in die Arbeit der Gemeinschaft, zeigt vergangene und aktuelle Fälle auf und argumentiert, wieso gerade jetzt die Stärkung von Privatanlegern wichtig ist.

Viel Spaß mit dem Interview!

Sehr geehrter Herr Bauer, herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit für das Interview nehmen! Stellen Sie sich und die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) doch gerne kurz vor.

Ich bin von der Ausbildung her Diplom-Volkswirt und schon seit meiner Jugend an der Börse aktiv. Während meines Studiums kam ich aufgrund der Geschehnisse bei der Primacom AG zur SdK. Die SdK hatte damals auf der Hauptversammlung der Primacom AG mitgeholfen, die Enteignung der Aktionäre zu verhindern. Eine Private Equity Gesellschaft wollte damals 25 Cents je Aktien im Rahmen eines Purchase & Sale Agreement zahlen, um so eine angebliche Insolvenz der Primacom verhindern zu können. Die SdK hat das mit dem Großaktionär zusammen verhindert. Am Ende hatte dann Kabel Deutschland zwei Jahre später 10 Euro je Aktie geboten. Das sind typische Fälle, bei denen die SdK für ihre Mitglieder aktiv wird. Leider aber natürlich nicht immer mit einem so tollen Ergebnis wie bei Primacom. Unsere Aufgabe ist es, die Interesse von Kapitalanlegern, v.a. Kleinanlegern, zu vertreten. Im Rahmen dessen sind wir jährlich auf rund 450 Hauptversammlungen und rund 50 Gläubigerversammlungen für unsere rund 8.300 Mitglieder und rund 300.000 Stimmgeber aktiv. Wir, dass sind aktuell vier Vorstände und rund 45 SprecherInnen, die – unterstützt von unseren 13 Mitarbeitern in der Geschäftsstelle in München -, weitgehend ehrenamtlich für den Verein tätig sind.

Schwerpunkt der SdK sind die Interessen von Kleinanlegern: Können Sie uns ein aktuelles Beispiel nennen, bei welchem die SdK sich aktiv für deren Interessen stark macht?

Wir führen aktuell rund 90 Spruchverfahren, d.h. wir kämpfen vor Gericht um eine Nachbesserung in Folge eines Squeeze-outs von Streubesitzaktionären. Ein bekannter Fall in dem Zusammenhang ist die Übernahme von Innogy durch E.ON. Hier dürfte es zukünftig noch eine deutliche Nachbesserung für die ausgeschlossenen Aktionäre geben. Ferner haben wir zum Beispiel im Fall Wirecard für die betroffenen Aktionäre eine Prozesskostenfinanzierung an Land gezogen, so dass diese ohne eigenes Kostenrisiko an der Klage gegen den Wirtschaftsprüfer EY teilnehmen können, die wir aktuell vor Gericht begleiten. Aktuell beschäftigen uns auch die Vorgänge bei der AUR Portfolio III SE & Co. KGaA, der ehemaligen AURELIUS Equity Opportunities SE & Co. KGaA. Hier versuchen wir die Interessen des Streubesitzes zu bündeln, damit deren rechte gewahrt bleiben.

Welche Probleme sehen Sie denn generell? Wo werden Kleinanleger übervorteilt, nicht ernst genug genommen oder haben schlicht keine Durchsetzungsmacht?

Generell muss man leider feststellen, dass in Deutschland das Finanzwesen doch nur sehr rudimentär vorhanden ist. Das führt immer wieder dazu, dass Anleger in nicht rentable Investitionen gelockt werden. Hier sind vor allem Beteiligungen an geschlossenen Fonds mit absurd hohen Kosten und Investitionen in Genussrechte oder nachrangige Anleihen zu nennen. Das wird im Grauen Kapitalmarkt in Deutschland in Massen angeboten und führt immer wieder zu großen Schadensfällen. Aktuell sind wir hier in Bezug zur Soravia-Gruppe und der DEGAG-Gruppe aktiv. Auch das Segment der so genannten Mittelstandsanleihen boomte in Deutschland zu Zeiten der Niedrigzinsphase. Leider waren die Emittentinnen meist wirtschaftlich nicht in der Lage, die aufgenommenen Finanzmittel zurückzuzahlen, und so kam es zu vorhersehbaren Verlusten im Bereich eines hohen einstelligen Milliardenbetrags in den zurückliegenden Jahren. Im Aktiensegment sehe ich die Probleme vor allem bei Small- und Microcaps. Dort gab es zeitweise viele schwarze Schafe, die nicht wirklich über ein funktionierendes Geschäftsmodell verfügten. Aktuell sehe ich im Segment der mittelgroßen Gesellschaften eher ein Liquiditätsproblem, was zu sehr günstigen Bewertungen von deutschen Nebenwerten führt, die dann in der Folge von Private Equity Gesellschaften viel zu günstig übernommen werden. Zuletzt kam es geradezu zu einer Übernahmewelle: EQS Group AG, OHB System AG, CompoGroup Medical AG und USU Software AG sind nur einige der Nebenwerte, die viel zu günstig übernommen wurden.     

Auf der SdK-Website heißt es: „Mit der SdK soll Deutschland zu einem Land der Anleger werden.“ Ist diese Vision vor dem Hintergrund des problembehafteten Rentensystems in Deutschland besonders relevant geworden?

Das Deutsche Rentensystem ist zum Scheitern verurteilt. Es basiert darauf, dass die Anzahl der Beitragszahler zumindest konstant bleibt, was aber aufgrund der demografischen Entwicklung nur möglich wäre mit einer hohen Anzahl an qualifizierten Einwanderern. Diese gehen jedoch aufgrund der hohen Abgabenlast nicht nach Deutschland, sondern lieber nach Kanada, Australien, die USA oder Singapur. Deutschland hätte daher bereits vor Jahrzehnten den Weg eines Kapitalgedeckten Systems gehen müssen, so wie es zahlreiche andere Länder auch taten. Mittlerweile dürfte es daher zu spät sein. Wer im Alter nicht in Armut leben will, muss daher selbst vorsorgen. Daher bedarf es der finanziellen Bildung. Dazu wollen wir einen kleinen Beitrag leisten, und so Deutschland zu einem Anlegerland machen. 

Wie kann man sich engagieren und die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger unterstützen?

Uns hilft natürlich jeder einzelne Mitglied, da wir mit den Mitgliedsbeiträgen unsere Aktionen finanzieren und die Höhe der Mitglieder natürlich auch darüber bestimmt, wie wir im politischen Berlin wahrgenommen werden. Mein Kollege Dr. Liebscher ist ständig im Gespräch mit Bundestagsabgeordneten und wird oft als Experte im Rechtsausschuss gehört. Leider ist dort die Stimme der Privatanleger noch sehr unbedeutend. Je mehr Unterstützer wird haben, desto mehr hören uns die politisch Verantwortlichen auch zu.

Welche Vorhaben sind für die Zukunft geplant? Gibt es bereits spannende Ideen und Projekte?

Viele unsere Projekte sind Tagesgeschäft. Es kommt also zum Beispiel drauf an, wann Unternehmen insolvent gehen oder versuchen, die Streubesitzaktionäre per Squeeze-out auszuschließen. Das kann man also nicht genau planen. Laufende größere interne Projekte fokussieren sich vor allem auf die Digitalisierung und auf die Wissensvermittlung. Wir wollen die Stimmrechtsübertragung in Zukunft einfacher, digitaler gestalten, und arbeiten an einem Research Projekt, bei dem wir den Mitgliedern Research zur Einhaltung der Corporate Governance durch die Unternehmen übermitteln.

Vielen Dank für das Interview!

Wie hilfreich war dieser Beitrag?

Klicke auf die Sterne um zu bewerten!

Durchschnittliche Bewertung 5 / 5. Anzahl Bewertungen: 11

Bisher keine Bewertungen! Sei der Erste, der diesen Beitrag bewertet.

Ein Kommentar

  1. Die damalige Rettung der Primacom-Aktionäre ist hier im Interview schon sehr geschönt dargestellt. Es war ein kleiner Zwischenschritt, der SdK-Beauftragte Markus Straub (später wegen Insiderhandel zu zwei Jahren Haft und 36.000 Euro Strafe verurteilt) konnte damals auch in den neuen Primacom-Aufsichtsrat einziehen. Trotzdem konnte die SdK aber nicht verhindern, dass die holländische ING damals als Hauptkreditgeber 2010 das Darlehen vorzeitig fällig stellte, um die Aktionäre zu enteigenen und sich das Unternehmen (40% Umsatzrendite) über Strohfirmen auf Steuersparinseln billigst aneigenen zu können. 2010 gab es KEIN Happy End für die Kleinanleger bei der Primacom. Ich hätte nie gedacht, dass man als Aktionär in Deutschland so leicht enteignet werden kann.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert