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„Unsere Mandanten suchen konkret Honorarberater“ – Interview mit Christoph Geiler (Finanzküche)

Depotstudent Dominik
4.8
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Liebe Depotstudent-Leserschaft, heute habe ich einen spannenden Interview-Partner mitgebracht!

Christoph Geiler ist Honorarberater aus Leipzig und Gründer der „Finanzküche“ (www.finanzkueche.de). Er hat sich für ein Interview bereit erklärt und konnte mir spannende Antworten rund um Honorarberatung und die Finanzküche geben.

… über Chancen der Honorarberatung, die Vermeidung von Interessenskonflikten, welche Kunden die Honorarberatung besonders anspricht und vieles mehr.

Viel Spaß mit dem Interview!

Lieber Christoph, stelle Dich gerne kurz vor und gib uns einen Einblick in Deinen bisherigen Werdegang. Was macht Ihr bei der „Finanzküche“?

Ich bin 89er Baujahr und habe 2015 die Finanzküche auf den Weg gebracht. Unsere Tätigkeitsschwerpunkte
sind:

  • Finanzplanung
  • Altersvorsorgeberatung inklusive der Prüfung von Bestandsverträgen
  • Anlageberatung und Anlagebetreuung

Von Anfang sind wir ausschließlich auf Honorarbasis tätig. Erste Einblicke in die Branche habe ich 2013 in einem Strukturvertrieb erhalten, was mich und die Arbeit der Finanzküche nachhaltig geprägt hat. Mir wurde damals schnell klar, dass ich im Produktverkauf nicht glücklich werde.

Parallel zu unserer Beratungstätigkeit arbeiten wir auch mit unserem Finanzküche Blog und Podcast an unserer Vision, den Wandel hin zu einer fairen und verantwortungsvollen Finanzbranche zu fördern.

Mit der Website „Finanzküche“ und Eurer Honorarberatung scheint Ihr den Zahn der Zeit getroffen zu haben: Ist nun „endlich“ die Zeit der unabhängigen Honorarberatung gekommen?

Schön wär’s. Ein großes Umdenken bei Politik, Produktgebern und Verbrauchern können wir nicht feststellen.

Ein Beispiel zu den Produktgebern (Versicherern): Wenn Du zu Berufsunfähigkeitsversicherungen beraten willst, musst Du als Honorarberater auf eine eingeschränkte Produktlandschaft zurückgreifen, weil nur ein Teil der Anbieter provisionsfreie Nettotarife anbietet. Noch krasser ist das Problem bei Privaten Krankenversicherungen, wo es meines Kenntnisstandes nach nur ein oder zwei Anbieter gibt, die Honorartarife anbieten. Hier muss aus unserer Sicht die Politik eingreifen, wenn sie der Honorarberatung im Bereich der Risikoversicherungen eine echte Chance geben möchte. Im Gegensatz dazu ist eine honorarbasierte Beratung in den Bereichen Finanzplanung, Geldanlage und Altersvorsorge gut darstellbar.

Dennoch wird der gesamte Finanzberatungsmarkt vom Provisionsvertrieb dominiert. Es gibt nur etwa 300 Versicherungsberater und etwa 300 Honorar-Finanzanlagenberater. Das sind die beiden Zulassungen, die ausschließlich eine Honorarberatung zulassen.

Hinzu kommt, dass die Honorar-Finanzanlagenberater im Versicherungsbereich oft als Versicherungsmakler registriert sind und so Honorar- und Provisionsberatung vermischen. Was aber letztlich auch kein Wunder ist, solange die Produktlandschaft im Versicherungsbereich so stark eingeschränkt ist.

Provisionsvermittler gibt es selbstredend im Versicherungsbereich um die 200.000 und in Anlagebereich um
die 40.000.

Der Anteil von ausschließlich auf Honorar arbeitenden Berater liegt damit unter 0,3 Prozent …

Bei der klassischen Provisions-Beratung gibt es Interessenkonflikte: Ist das ein zentraler Grund, warum viele Menschen Eure Beratungsleistung anderen Formen der Beratung vorziehen?

Das ist ein Grund. Wenn wir Fragen, wie unsere Mandantinnen und Mandanten auf uns aufmerksam geworden sind, geben sie oft an, konkret nach einem Honorarberater gesucht zu haben. Oder und das erwähne ich gerne gesondert: Nach einer Honorarberaterin.

Wir haben viel zu wenig Frauen in der Finanzberatung. Umso mehr freut es uns, mit Birgit Hünniger eine Honorarberaterin im Team zu haben. Dass das einer gesonderten Erwähnung Bedarf beschreibt in etwa die Verhältnisse in der Beratungsbranche.

Wichtiger für eine langfristig gute Zusammenarbeit als das Thema Honorar ist eine hohe Beratungsqualität und eine grundlegende Schnittmenge im Wertesystem zwischen Mandant und Berater. Beispielsweise sind uns Themen wie Fairness, Gesundheit und Offenheit wichtig.

Wenn es ums Thema „Geld“ geht, ist viel Vertrauen notwendig. Mit der „Finanzküche“ zeigt Ihr Euch sehr nahbar und sympathisch. Ist das ein Wettbewerbsvorteil?

Ob wir nahbar und sympathisch auftreten müssen andere beurteilen. Wir treten online einfach so auf wie wir in der Realität sind. Das hat den Vorteil, dass es fast immer menschlich passt, wenn wir Mandanten und Mandantinnen im Erstgespräch kennenlernen dürfen.

Zudem ist uns bewusst, was es für ein Geschenk ist, dass uns unsere Mandantinnen und Mandanten ihr Vertrauen schenken. Verantwortungsbewusstsein ist daher in unseren Unternehmenswerten verankert.

Als Honorarberater: Welche Kunden fühlen sich von Euch besonders angesprochen? Ist das nur etwas für Reiche?

Das kommt darauf an, was du unter „reich“ verstehst. Ehrlich gesagt, bin ich über die Jahre schon etwas ernüchtert. Denn zugegebenermaßen erreichen wir nur einen Teil der Bevölkerung. Die meisten unserer Mandantinnen und Mandanten haben:

  • einen akademischen Hintergrund,
  • sind selbständig,
  • sind in leitender Tätigkeit,
  • haben geerbt oder sind Unternehmensinhaber.

Aber wenn du mit „reich“ meinst, dass man zig 100.000 Euro oder mehr haben muss, damit sich eine Honorarberatung lohnt, kann ich mit „Nein“ antworten.

Ein Einkommen um die 3.000 Euro brutto im Monat oder ein 5stelliges Vermögen reichen aus, damit sich eine Honorarberatung rechnen kann. In Einzelfällen – und die freuen uns besonders – haben wir auch Mandanten die weniger finanzielle Mittel haben, aber dafür einen großen Antrieb mitbringen, eine finanzielle Verbesserung zu erreichen.

Was sind die größten Schmerzpunkte, mit denen Kunden zu Euch kommen und welche Ihr für sie
löst?

Das ist unterschiedlich. Beispiele für Anliegen sind:

  • Eine Familie mit Hauswunsch, die sich Unterstützung bei der Finanzplanung wünscht. Da geht es beispielsweise um die Budgetplanung, Wechselwirkungen des Hauskaufs auf die Altersvorsorge und die berufliche Flexibilität, sowie die Risikoplanung
  • Anlageberatung für erspartes oder ererbtes Vermögen
  • Die finanziellen Auswirkungen eines Wechsels in eine private Krankenversicherung im Vergleich zum Verbleib in der gesetzlichen Krankenversicherung
  • Oder einfach eine grundlegende Finanzplanung – oft auch mit vorhandenen „Altlasten“ wie zum Beispiel undurchsichtigen Rentenverträgen

Spaß macht uns auch die Arbeit mit Selbständigen, die viele verschiedene Themenbereiche berührt. Oft erleben wir hier, dass es erst einmal darum geht, eine einheitliche Sprache zu finden. Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Betriebseinnahmen, Umsatz und Gewinn? Um dann im nächsten Schritt Zieleinnahmen definieren zu können, die notwendig sind, um eine ausreichende Altersvorsorge sicherzustellen.

Helft Ihr auch bei der direkten Umsetzung? Also der Eröffnung von Depots, Konten oder beim Versicherungsabschluss?

Klar. Wobei wir im Versicherungsbereich beim Abschluss von Rentenverträgen unterstützen und bei Risikoversicherungen wie Hausrat, Haftpflicht und Berufsunfähigkeitsversicherungen unsere Netzwerkpartner einbinden. Manchmal haben unsere Mandanten im Versicherungs- oder Finanzierungsbereich auch eigene Ansprechpartner, auf die sie zurückgreifen können.

Im Bereich der Anlageberatung haben unsere Mandantinnen und Mandanten die Option, unsere gemeinsam erarbeiteten Anlageempfehlungen selbst umzusetzen oder die Anlagen von uns einrichten und betreuen zu lassen.

Wie schätzt Du die Zukunft der Honorarberatung in Deutschland ein? Gibt es flächendeckendes Potenzial oder wird das (weiterhin) eher in Nischenthema für bestimmte Kundentypen bleiben?

Wir haben ja immer mal wieder das Thema „Provisionsverbot“ auf der politischen Agenda, was bisher durch erfolgreiche Lobbyarbeit abgewehrt wurde. Ich bin da zwiegespalten. Ein derart starker regulatorischer Eingriff würde zwar der Honorarberatung über Nacht zum Durchbruch verhelfen, hätte aber auch negative Auswirkungen, wie man am Beispiel von Großbritannien sieht.

Von der politischen Betrachtung losgelöst sehen wir bisher keinen flächendeckenden Durchbruch der Honorarberatung. Unter anderem um daran etwas zu ändern, gehen wir Tag für Tag unserer Arbeit nach.

Sind Strukturvertriebe und Versicherungsmakler direkte Konkurrenz? Oder unterscheidet sich Eure Zielgruppe sehr stark?

Das ist eine spannende Frage. Nüchtern betrachtet, ist jeder Finanzberater am Markt „Konkurrenz“. Egal ob Strukturvertrieb, Makler oder Bank. Und klar müssen wir schauen, dass wir genug Beratungsmandate bekommen. Wer als Finanzberater, egal ob provisions- oder honorarbasiert, startet und glaubt potentielle Mandantinnen und Mandanten haben nur auf ihn gewartet, wird sein Geschäft schnell wieder aufgeben müssen.

Wir stehen sogar in Konkurrenz zu anderen Honorarberatern. Apple und Samsung stehen auch in Konkurrenz.

Vom Konkurrenzgedanken losgelöst geht es uns darum, dass Menschen Zugang zu einer fairen Finanzplanung erhalten, welche es ihnen ermöglicht, ihre Potentiale zu entfalten. Dabei sind Finanzen kein Selbstzweck, sondern helfen dabei, die verschiedenen Lebensbereiche positiv zu gestalten. Jede Beraterin und jeder Berater, die ebenfalls dafür arbeiten, sind Kollegen. Alle anderen würde ich als Konkurrenz bezeichnen, denen wir gerne Marktanteile abnehmen.

Vielen Dank, Christoph!

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